Disclaimer: Ich masse mir hier absolut nicht an, rein wissenschaftlich zu arbeiten, meine Aussagen hier sind teilweise belegt, oft basieren sie einfach nur auf meinem (Fach-)Wissen im Bereich der Energietechnik. Daher schreibe ich auch nicht, dass das “wissenschaftliche Fakten” seien.
Unter dem nicht ganz unnarzisstischen Titel “Wissenschaftliche Fakten! – Wir haben die Naturgesetze, die Tatsachen auf unserer Seite!1” veröffentlichte die BI Schwarzwald Gegenwind am 06.11.2019 einen Artikel, besser: ein Pamphlet. Nachdem die BI ihre offenkundige Nähe oder zumindest Sympathie zum immer rechteren Rand schon eine gute Woche vorher mit einem Link zur selbsternannten “Achse des Guten”2 bekräftigt haben, versuchen sie nun, Narrative aus der Klimawandelleugnung wissenschaftlich darzustellen. Der Text stammt von Andreas Hirsch aus Wies.
Allerdings reicht es halt nicht, “Wissenschaftliche Fakten” über einen Text zu schreiben, wenn er dann so wissenschafltich daneben liegt.
Dass bereits in den ersten Worten die ständig auftretende Extemisierung zwischen Windkraftgegnern und Windkraftbefürwortern (ganz ohne Differenzierung, obwohl die das wichtigste ist) gefestigt wird, ist nicht mal mehr auffallend, sondern leider bezeichnend. Aber zum Inhalt:
Das beginnt bereits in “1. Grundlagen”. Hier wird, entweder durch absichtliche Fehldarstellung oder Unkenntnis der Sachlage des Autoren, der Eindruck erweckt, dass ausschliesslich gesicherte Leistung3 nutzbare elektrische Energie sei und dass Windkraft keine gesicherte Leistung sei. Das ist aus mehreren Gründen falsch. Zum einen ist die Ertragsprognose einzelner WKAs auf drei Tage inzwischen extrem verlässlich, was sich auch darin zeigt, dass WKAs in Deutschland zu 6%4 zur Grundlast beitragen. Zum anderen benötigt das immer dynamischer werdende Netz5 immer mehr Regelenergie, also dynamisch regelbare Energieträger, was zB Atom- und Kohlekraftwerke nicht sind.
Richtig ist, dass eine reine Grundlasterzeugung nur mit WKAs, oder auch nur ein Grundlastanteil von 25% an WKAs nicht sinnvoll wäre. Davon redet aber halt auch keiner.
Weiter geht es mit der sogenannten Unterdeckung im Januar 2020. Diese 0,5GW tauchen sehr häufig auf. Allerdings nicht in wissenschaftlich belastbaren Abhandlungen, sondern als Narrativ, und zwar ganz konsistent auf Seiten wie AchGut, EIKE, Anti-Windkraft-BIs und dem Medienteil, der sich gerne gegen Erneuerbare Stellt, wie z.B. Focus.
Hier wird als Quelle ein Interview mit dem Wissenschaftler Harald Schwarz6 angegeben. Dass Interviews, egal mit wem, keine wissenschaftlich belastbaren Fakten (und die wurden ja versprochen) darstellen, weiss Andreas Hirsch entweder nicht, oder es ist ihm egal. Das ist aber gar nicht mal wirklich der relevante Punkt. Als Quelle wird das Interview mit Harald Schwarz angegeben (das Interview selbst ist auch schon mehr als fragwürdig, das ist hier aber nicht relevant). Im Interview selbst drückt sich Schwarz aber ziemlich vage aus, was die Versorgungssicherheit angeht, von den 0,5GW spricht er an keiner Stelle.
Im Text findet sich aber ein Kasten mit Balkendiagrammen, dessen Quelle ist aber nicht mit Harald Schwarz angegeben, sondern es wird auf einen Bericht7 der Übertragungsnetzbetreiber verweisen. Dort steht allerdings:
Im Leistungsbilanzbericht 2017 wurde erstmals eine geringe negative verbleibende Leistung ausgewiesen. Unter den oben beschriebenen Bedingungen hätte sich mit den damals den ÜNB vorliegenden Informationen und getroffenen Annahmen ein Importbedarf von 0,5 GW für den Referenztag 2020 ergeben. Durch die stetige Aktualisierung der Datengrundlage und Berücksichtigung der aktuellen Informationen zum Kraftwerkspark in Deutschland ergibt sich im vorliegenden Leistungsbilanzbericht für Januar 2020 eine positive verbleibende Leistung von ca. 1 GW. Für den erstmalig betrachteten Stichtag 2021 ergibt sich ein möglicher Importbedarf von ca. 5,5 GW.
Und weiter unten:
Da gemäß der „Feststellung Netzreservekraftwerksbedarf für den Winter 2018/2019 und das Jahr 2020/2021“ der BNetzA [2] der Bedarf an Netzreservekraftwerken durch nationale Anlagen gedeckt werden kann, sind derzeit keine Netzreservekraftwerke im Ausland zu kontrahieren
Und schliesslich:
Die Untersuchung der Leistungsbilanz ist mit verschiedenen Unsicherheiten behaftet. Damit sind der Aussagekraft der Ergebnisse Grenzen gesetzt.
Die Aussage, dass im Januar 2020 eineUnterdeckung ggeben sei, ist also schlciht falsch. Im weiteren Abschnitt wird dann aus dem Artikel zitiert, leider wird hier extrem unwissenschaftlich zitiert. Im Satz vor dem Zitat zeigt Schwarz ganz deutlich, dass seien Aussage keine wissenschaftlich fundierte ist, sondern eine reine Annahme:
Die Wahrscheinlichkeit, dass uns die Nachbarn in einer kalten Dunkelflaute, bei weitgehendem Ausbleiben von Strom aus
Wind und PV, mal eben 20 GW über den Strommarkt verkaufen können, halte ich für unrealistisch. Genau an diesem Punkt hat sich der Abschlussbericht der Kommission für mich wegen Realitätsferne erledigt.
(Hervorhebung von mir).
Im ganzen Abschnitt geht Hirsch, ebenso wie Schwarz8 davon aus, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt in halb Europa kein Wind wehen und keine Sonne scheinen könne. Wann kommt das vor?
In Teil 2 wird es dann spannend: Hier Outet sich Hirsch ganz offenkundig als Leugner des menschlichen Anteils am Klimawandel, indem er die (absolut unwissenschaftliche) These aufstellt, dass CO2 als Klimagas überschätzt werde. Spätestens hier geht es offenkundig nicht (mehr?) um wissenschaftliche Fakten.
Wir lesen dennoch weiter. Als nächste liefert er, fast schon erwartbar, einen Verweis auf das Paper der drei ProfessorInnen der Universität Heidelberg.
Auch hier handelt es sich um ein mehr als fragwürdiges, definitiv nicht wissenschaftlich haltbares Paper (das auf einem Paper von 2015 basiert, das ebenfalls mehrfach invalidiert wurde), hier ist das Paper schon beschrieben: https://energiewende-rocken.org/physikprofessoren-aus-heidelberg-ist-er-eigene-ruf-voellig-egal-fakenews-ohne-ende/
Dann kommt wieder mal ein klassischer Satz aus der Klimawandelleugner-Ecke, der so pauschal halt eine falsche Darstellung ergibt, dennoch ist sich Hirsch nicht zu schade, ihn zu verwenden.
Bitte beachten Sie, dass die deutschen CO2-Emmissionen sich seit 2009 nicht wesentlich verändert haben!!!
Es fängt damit an, dass 2009 ein Ausreisser ist, in dem Jahr wurde vergleichsweise wenig CO2 ausgestossen. Davor und danach hingegen ungleich mehr. Die Tendenz (Hirsch drückt eine Tendenz aus, nicht den absolutenVergleich zwischen 2009 und zB 2019) ist klar fallend9. Viel wichtiger ist allerdings, dass die Tatsache, dass im Energiesektor vor allem dank EE die CO2-Emissionen gesenkt wurden, dazu geführt hat, dass die Emissionen nicht gesamthaft gestiegen sind.
Dann kommt, auch wieder sehr gängige Argumentation, dass man doch, auch wenn Hirsch das anscheinend (scheinbar?) nicht sinnvoll findet, vielleicht mal wieder etwas mehr Atomkraft versuchen könnte. Ist das nun sein Vorschlag oder halt doch nicht?
Anschliessend kommt er – nach einem etwas wirren Einlass, dass man doch Solarenergie (vermutlich meint PV) in Batterien speichern könne, obwohl das Recycling von Solaranlagen nicht geklärt sei (wo klärt er das Recycling von Kohle- oder Atomkraftwerken?) – zum Thema, warum das mit Windkraft alles nicht ginge. Vielleicht kommen jetzt endlich die versprochenen wissenschaftlichen Fakten.
Nein, doch nicht. Es folgt ein hochemotionaler Rant gegen eine Frau Fromm, die anscheinend sein Plakat kritisiert hat. Anscheinend steht auf dem Plakat etwas von Greifvögeln, die durch Windkraftanlagen getötet werden. Es werden Vögel durch Windkraft getötet, das steht ausser Zweifel. Es werden aber halt auch Vögel durch so ziemlich alles andere, was wir machen, getötet. Warum sind nun nur die Vögel relevant, die durch Windkraft getötet werden? Oder sehen wie die Schwarzwald-Gegenwind-Leute zukünftig auch in Wieslet vor dem Güggelifest demonsitrieren? Vielleicht mag Herr Hirsch mal eines Abends einen Spaziergang zum Dorfgemeinschaftshaus machen. Unten rechts ist das Schlachthaus. Auch dort werden Tiere getötet10, sind diese toten Tiere nicht relevant?
Dass sich Hirsch hier nicht zu schade ist, den Begriff “Genzoid” zu verwenden und damit effektiv wirkliche Genozide zu verharmlosen, ist traurig und hochgradig unanständig, entspricht aber leider häufig dem Argumentationsniveau der BI. Warum aber nur die Windkraftindustrie diesen bewussten Genozid betreibt, andere Industrien, denen ebenso viele oder mehr Vögel zum Opfer fallen, nicht, bleibt offen, Wissenschaftliche Fakten sind das aber halt immer noch nicht, hier geht es rein um Emotionen (“Die armen Vögel”).
Nun folgen die Aussagen (Aussagen, nicht wissenschaftliche Fakten, letzere wären ja belegt) Schlag auf Schlag:
WK habe massgeblichen Anteil an Insektensterben. Beleg dazu (sollen ja wissenschaftliche Fakten sein): Keiner. Zumindest mein Wissensstand ist, dass es hierzu bisher keine belastbaren Zahlen gibt. Es ist wohl anzunehmen, dass ein nicht kleiner Teil der Insektenpolulation durch WKAs belastet wird, allerdings muss man, wenn man Zahlen hat, diese zwingend in Relation zu allen anderen Energieträgern stellen. Dann wird es wissenschaftlich.
Dann die enorme Umwelt- und Naturzerstörung. Davon abgesehen, dass jede kWh an elektrischer Energie, die nicht durch zB Kohlekraftwerke, sondern eben durch eine WKA hergestellt wird, einen aktiven Beitrag zum Umwelt- und Naturschutz darstellt, ist es absolut übertrieben, diese Zerstörung so zu überhöhen. Für den Bau einer WKA wird i.a. unter einem ha Waldfläche dauerhaft abgeholzt. Dafür gibt es Ausgleichsfläche, die braucht Zeit, nachzuwachsen. Richtig. Allerdings: Wir haben im Schwarzwald pro Hektar zwischen 400 und 700 Festmeter Holzbestand. Das entspricht in etwa 600-900 Ster an Holz. Wenn ich durchs kleine Wiesental fahre, sehe ich vor fast jedem zweiten Haus vielleicht 50 Ster Meterholz liegen. D.h. die “enorme Natur- und Umweltzerstörung” findet genauso durch die Haushalte statt. Und dabei ist die industrielle Nutzung noch gar nicht beachtet. Schlechtes Argument, ausser, man will sich mit so ziemlich jedem Waldbesitzer im kleinen Wiesental oder sonstwo anlegen.
Als nächstes, ebenso erwartbar, der Infraschall. Auch hier gibt es keinerlei wissenschaftlich belastbare Fakten.
Und dann, ganz pauschal und vor allem ohne irgend welche Belege die Aussage, dass Kosten und Schäden so hoch seien, dass WKAs nicht betrieben werden könnten. Sehr unwissenschaftliche Darstellung.
Und dann wieder ein Glaubensbekenntnis und pauschale Aussagen über zu leicht zu verdienendes Geld.
Nach einem – ebenso unwissenschaftlichen wie unbelegten – Seitenhieb auf die EWS kommt dann wieder ein Horroszenario, ganz viele Emotionen: Der Blackout.
Auch hier wieder keinerlei wissenschaftlicher Hintergrund. Hirsch verweist auf eine Studie11 des TAB. Dieser Verweis funktioniert nur deswegen überhaupt, weil er hier Ursache und Wirkung auf die selbe Quelle bezieht, obgleich die Studie sich ausschliesslich auf potenzielle Wirkung bezieht, und weil er oben mit den falsch dargestellen Lücken schon versucht, Ängste vor einem Blackout zu schüren.
Die Studie selbst gibt grossflächige Katastrophen oder gezielte terroristische Anschläge als Beispiele für Auslöser eines grossflächigen und langandauernden Blackouts. Und dann beschreibt sie mögliche Auswirkungen. Allerdings gibt es keinen Grund, davon auszugehen, dass selbst eine grössere Leistungslücke dazu führt, einfach da unser Verbundnetz hinreichend viele Schutzmechanismen hat, so z.B> Lastabwurf12 und das inhärente Vorhandensein eines Verbundnetzes.
Auch hier wieder sein Verweis auf Kohle- und Atomkraft, honi soit …
Dann folgt mein Lieblingssatz des Artikels:
Niemand braucht meine Einschätzung zum CO2 zu teilen. Aber vielleicht bringen die reinen Fakten die Windkraftbefürworter ja ins Nachdenken? Vielleicht. Hoffentlich.
Nein, wirklich niemand muss seine unwissenschaftliche Falscheinschätzung zu CO2 teilen. Allerdings muss auch niemand über seine reinen Fakten nachdenken, einfach weil sie nicht vorhanden sind.
Lustig ist auch sein Nachsatz, dass “sie” es nicht nötig hätten, Beleidigungen und Verleumdungen von sich zu geben.
Hier mal ein paar Zitate incl. Quellenangabe:
…von den selbsternannten Weltenrettern, den „Öko“-Stromlern und Graustromwäschern à la EWS, Elektrische Werke Schönau.
Quelle: http://www.schwarzwald-gegenwind.de
Wieder ein Beweis dafür, dass Investoren wie die Elektrizitätswerke Schönau EWS den Bezug zur Realität verloren haben.
Quelle: Facebook-Seite von Schwarzwald-Gegenwind
Auch die Elektrizitätswerke Schönau EWS treten als radikale Weltenretter auf und verlieren zusehends die Faken aus den Augen!
Quelle: Ebd.
Helmut Seidel wenn er wirklich Sachkenntnis hätte (oder eben sein Denken nicht ideologisch durch seinen Arbeitgeber geprägt wäre), …
Quelle: Kommentar von Daniel Senn aufFacebook gegenüber einem privaten kritischen Posting eines EWS-Mitarbeiters
… und profitgierige Investoren …
Häufig verwendete Abwertung auf der Facebook-Seite der BI
Das Niveau hast du schon lange erreicht und unterschritten.
Daniel Senn, Kommentar auf der Facebook-Seite der BI
Die Damen und Herren der Elektrizitätswerke Schönau EWS haben von Physik offensichtlich nicht viel Ahnung.
Facebook-Posting von Schwarzwald-Gegenwind
Summa summarum liegt hier wieder ein Pamphlet voller Halbwahrheiten, Unwahrheiten, Unschärfen und vor allem Konzeptlosigkeit vor.
Die Überschrift verspricht (endlich) wissenschaftliche Fakten, noch nicht mal dieses Versprechen wird eingehalten …
tl;dr: Ein weiterer “Artikel” der Bürgerinitiative “Schwarzwald Gegenwind”, der weder sachlich oder fundiert ist, noch wirkliche Konzepte, wie wir hinreichend sauber und sinnvoll in die Zukunft kommen, enthält. Schade.
- http://www.schwarzwald-gegenwind.de/index.php/;focus=STRATP_com_cm4all_wdn_Flatpress_14152258&path=?entry=entry191108-06373
- AchGut, die Achse des Guten, ist ein Sammelbecken von Klimaleugnern, Holocaustrelativierern und allgemeinen Hetzern, konkreter wurde ein Artikel von Manfred Haferburg, einem Autoren, der ganz konkret den menschgemachten Klimawandel anzweifelt und regelmässig durch unsachliche bis lächerliche Polemiken auffällt, verlinkt
- Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Leistungskredit
- https://web.archive.org/web/20140815143052/http://www.dena.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/Energiedienstleistungen/Dokumente/dena-Netzstudie_l_praesentation.pdf
- Früher war es üblich, v.a. Grossverbraucher wie zB Schmelzöfen einfach durchlaufen zu lassen, inzwischen regelt man die, fährt sie oft sogar bei Nichtgebrauch herunter
- Harald Schwarz spricht sich für Kernenergie und Verlängerung der Laufzeiten von Kohlekraftwerken aus
- https://www.netztransparenz.de/portals/1/Content/Ver%C3%B6ffentlichungen/Bericht_zur_Leistungsbilanz_2018.pdf
- dem kann man getrost Absicht unterstellen, über den fachlichen Hintergrund von Hirsch weiss ich nicht Bescheid
- https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgas-emissionen-in-deutschland
- Ich habe erst gestern ein sehr leckeres Suppenfleisch von Helmut Grethers Muni verspeist
- Er unterschlägt die Quellenangebe, hier ist sie: https://www.tab-beim-bundestag.de/de/pdf/publikationen/buecher/petermann-etal-2011-141.pdf
- Es gibt definierte Grossabnehmer in z.B Chemie und Metallverarbeitung, die bei grossen Problemen, also wenn die Netzfrequenz zu schnell bzw. stark sinkt, schnell ausgeschaltet werden
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