Atomwind


Immer offener zeigt sich die Agenda der sogenannten Bürgerinitiative Schwarzwald Gegenwind. Und immer wieder zeigt sich das technische Fehlwissen der dortigen Autor:innen.

Im neusten Artikel vom 16.10.2021 geht es um Atomkraft. Ja, richtig. Die Bürgerinitiative hat immer wieder bekräftigt, wie sehr sie gegen Atomkraft sei, einmal sogar als Einleitung zu einem Abschnitt, der Atomkraft offen bewirbt. Aber was interessiert die BI ihr Geschwätz von gestern? Die Bürgerinitiative1 hängt ja traditionell an Vernunftkraft, und damit an EIKE und der AfD, und da geht es halt um eine neoliberale Agenda. Und in die passt halt eine Energiewende, die Bürger:innen involviert absolut nicht rein, diese Agenda braucht zentralisierte Grossindustrie. Und da bietet sich halt Atomkraft an.

Der Artikel macht gewohnt infantil mit einem Bashing der Grünen und Fridays for Future auf. Diese beiden werden ganz pauschal mit den Gebrüdern Grimm, also Märchenerzählern, gleichgesetzt. Dass der oder die Autor:in sich dann schon zum ersten Mal widerspricht, fällt ihm oder ihr offenkundig nicht auf: Diesen “Märchenerzählern” wird sodann ein Irrtum unterstellt. Nun ist es aber halt so, dass Märchen (vgl. Lügen) so ziemlich das Gegenteil eines Irrtums darstellen. Ein Irrtum bedeutet, dass man aufgrund falscher Annahmen oder falschen Wissens die Unwahrheit erzählt. Also unabsichtlich. Ein Märchen ist ganz explizit die Erzählung des Ausgedachten, der Unwahrheit, also absichtlich. Aber egal, Wahrheit und Unwahrheit ist bei Schwarzwald-Gegenwind sowieso relativ flexibel …

Weiter geht es mit einer alten Studie des VGB. Die Studie stammt aus dem Jahr 2017 und stellt wissenschaftlich fundiert die damalige Situation der Windverteilung (und daraus abgeleitet die sog. Grundlastfähigkeit der Windkraft) in Deutschland und Europa dar, bezieht sich speziell auf überregionale Lücken und entsprechende Versorgung(un)sicherheit. Dazu nutzt sie sehr viel Interpolation, da die (damalige) Verteilung der Windkraftanlagen nicht wirklich repräsentativ war. Allerdings sieht nicht nur die Situation dank heutiger Technologie (Mehr Schwachwindanlagen anstatt Starkwindanlagen) und Ausbau anders aus, vor allem geht ja niemand von Exklusivität der Windkraft aus. Aber die Studie ist hier gar nicht das Thema.

Das Thema ist, dass der oder die Autor:in klar sagt, was seine Meinung sei: Dass man sofort mit dem Ausbau der Windkraft im Schwarzwals aufhören solle (noch mal: Weil eine alte Studie zeigt, dass Wind nicht immer und überall verfügbar ist, soll man es lassen? Ganz analog: Da mein Fahrrad auch mal einen Platten hat oder es draussen Glatteis hat und ich nicht fahren kann, soll ich es also wegschmeissen und mir einen Panzer kaufen?). Anstatt dessen solle man Energie sparen (kann ich absolut unterschreiben) oder alternative Lösungen erforschen, zB den Dual-Fluid-Reaktor. Ja, da steht erforschen. Noch nicht mal machen.

Der/die Autorin hat in einem Seitenhieb oben “den Grünen” und “Fridays-for-Future” mal wieder Realitätsmangel unterstellt. Wir können ja mal ihren/seinen Bezug zur Realität betrachten:

Ganz real können wir, Stand heute, Windkraftanlagen bauen. Technisch sind sie extrem weit gereift, sie produzieren je nach Jahr zwischen 20% und 30% unsere elektrischen Energie, leisten also ganz konkret einen substanziellen Beitrag, sie sind Teil der Realität. Die sollen wir aber laut ihm/ihr nicht weiter ausbauen, bringt ja nichts.

Seinen Vorschlag, Energie zu sparen, finde ich super, müssen wir machen, können wir aber nur begrenzt, und da wir weg von Öl-, Gas-, Kohle- usw.-Heizungen müssen, brauchen wir auch zum Heizen zukünftig elektrische Energie. Sparen alleine reicht also absolut nicht.

Also sein zweiter Vorschlag: alternativen erforschen, z.B. Dual-Fluid-Reaktoren(DFR). Disclaimer: Ich bin ganz expliziter Befürworter der Forschung, in fast jeder Richtung. Allerdings sollten meiner doch halbwegs fundierter Meinung nach nicht mehr all zu viele Ressourcen in manche Richtungen investiert werden. Forschungen im Bereich von Videorecordern auf Magnetband erfordern meiner Meinung nach nicht mehr viele Investitionen, ebenso sind kohlbetriebene Dampflokomotiven wohl ziemlich ausgereizt, und das Selbe gilt halt auch für Fissionsreaktoren, also Kernspaltungsreaktoren2.

Aber gehen wir doch mal davon aus, dass die Realität irgend wie zeigt, dass DFR günstig, sicher und sauber sind3. Dann haben wir halt das Problem, dass es sie nicht gibt. Es gibt bisher ausschliesslich rein theoretische Betrachtungen über die Funktionalität, es gibt noch nicht mal einen Pilotaufbau im Labormassstab. Ganz realistisch dauert alleine das viele Jahre biz Jahrzehnte. Und wenn das dann gemacht ist, braucht es extrem viele Prüfungen, Zulassungsverfahren usw. Es gibt bisher keinerlei Betriebserfahrungen mit einer solchen Technologie. Sprich: in der Realität würde es, selbst wenn man davon ausginge, dass der Reaktortyp umsetzbar sei (selbst diese Erforschung würde noch viele Jahre dauern) also noch Jahrzehnte dauern, bis wir einen solchen Reaktor hätten. Und auch für den gäbe es dann nach wie vor das Problem mit dem Atommüll. Der ist zwar weniger “kritisch” als der unser aktuellen Reaktoren, aber muss dennoch behandelt werden.

Wie weit der/die Autor:in sich in seiner/ihrer Realität befindet, zeigt dann auch noch mal der Schlussabsatz: wir hätten nur zwei Optionen, entweder Energiesparen und mit thermischen Kraftwerken (sprich: Kohle, Öl, Gas, ggf. Biomasse) weiterzumachen, bis Dual-Fluid-Reaktoren existieren, oder bald im Dunkeln zu stehen.

Dass wir einen stetigen Ausbau der Erneuerbaren haben, dass das Arhtal ganz unmittelbar von der Klimakatastrophe betroffen war, dass es Dürrekatatstrophen gibt und ganz banal, dass Deutschland das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet hat, das ist halt nicht Teil der Realität von Schwarzwald-Gegenwind. Schade.

P.S: Anscheinend stammt der Unsinn von Klaus-Hellmuth Dingsbums. Ich hätte das PS vielleicht zuerst lesen sollen. Man kann bei Schwarzwald-Gegenwind ja nicht von so viel Sorgfalt ausgehen, einen Gastbeitrag als solchen zu kennzeichnen. Oder ist Dingsbums der Admin?

  1. Ich habe immer noch nicht herausgefunden, ob sie nun Schwarzwald-Gegenwind oder Vernunftkraft-Schwarzwald oder wie auch immer heisst
  2. Ich bin nicht der Meinung, dass man die ganz vergessen sollte, aber da lohnt sich schon eher die Kernfusion, und selbst die wird aus zeitlichen Gründen erst mal nichts gegen die Klimakatastrophe beitragen
  3. So ganz neu ist die Technologie nicht, es wurde bereits in den 1960ern in den USA, Oak Ridge, ein Flüssigsalzreaktor gebaut, dessen grundsätzlicher Aufbau dem Berliner DFR ähnelt. Das Ergebnis war sehr schlecht, daher hat man das auch nicht mehr verfolgt. Aber wir wollen ja gutmeinend mal voraussetzen, dass das alles mit der neuen Technologie gelöst ist
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